Grün für alle

Weniger Stau, mehr Fluss verspricht der ETH-Professor Dirk Helbing

Der «Tages-Anzeiger» berichtet heute über eine revolutionäre Idee zur Verkehrssteuerung. Der ETH-Professor Dirk Helbing hat ein System entwickelt, wonach die Ampeln sich nach dem Verkehrsaufkommen richten (und nicht umgekehrt wie heute). Zweck der Sache: den Verkehr verflüssigen, weniger Stau. Helbing hat die Sache der Stadt Zürich offenbar vor mehr als einem Jahr vorgeschlagen, ohne dass seither viel passiert wäre. Das verwundert nicht. Wieso, wird aus einem zweiten Artikel des TA deutlich, in dem der Sprecher der für die Ampeln zuständigen Dienstabteilung Verkehr (DAV) zu Wort kommt. Helbings Modell könnte am Ende zu unerwünschtem motorisierten Verkehr führen, wird DAV-Sprecher Heiko Ciceri indirekt zitiert. Tatsächlich ist das Ampelsystem der Stadt nach zwei Maximen programmiert: den Verkehr zu dosieren und den ÖV zu bevorzugen. Trams und Busse und deren Trassen sind mit Sensoren ausgerüstet; nähert sich ein VBZ-Fahrzeug einer Ampel, so schaltet diese für auf grün und für alle andern Verkehrsteilnehmer auf rot. Der ÖV verkehrt – ein paar komplexe Kreuzungen wie das Bellevue oder der Bahnhofplatz ausgenommen – also gewissermassen bereits heute nach Helbings System. Dieses wäre für die Stadt dann allgemein interessant, wenn es zusätzliche Kapazitäten auch für den Fuss- und Veloverkehr bringen würde, sagt Ciceri. An den ebenso vielbefahrenen und vielbegangenen Kreuzungen der Innenstadt müssen die zu Fuss gehenden heute genauso so oft warten wie jene, die auf Rädern unterwegs sind. Dafür stehen die Signale für die Fussgänger dort auffällig oft und lang auf grün, wo nur wenige zu Fuss gehen. So zum Beispiel an den Kreuzungen von Kalkbreite-/Zurlindenstrasse im Kreis 3 oder von Kasernen-/Militärstrasse und Hard-/Bullingerstrasse im Kreis 4. Hier (und wohl auch anderswo) hat die DAV die Ampeln in letzter Zeit so programmiert, dass sämtliche Fussgänger gleichzeitig grün haben – und alle Autos und Velos rot. Das kann man eigentlich nur so interpretieren: Der rollende Verkehr soll gestoppt werden. Autos, Lastwagen und Velos (jener Fahrer, die sich an die Regeln halten) stehen dann jeweils Schlange, während die Kreuzung selbst leer ist. Helbings System könnte dafür sorgen, dass dieser öffentliche Raum effizienter genutzt wird. Und dass der Verkehr demokratischer wird.

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Einen Nulltarif gibt es nicht

Überflüssig? Der Billettautomat des ZVV.

Eine alte Idee feiert ein Comeback: der ÖV zum Nulltarif. Die estnische Hauptstadt Talinn hat ihn kürzlich beschlossen, und Blogger-Kollege Michel Imhof postuliert einen «kostenlosen öffentlichen Verkehr» auf westnetz.ch. Nun, einen solchen gibt es natürlich nicht. Wäre die Benutzung von Tram, Bus und S-Bahn im Kanton Zürich gratis, so stiegen die Kosten des ÖV für die Allgemeinheit enorm. Rund 47 Prozent seiner Einnahmen generiert der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), der auch die VBZ finanziert, durch den Verkauf von Abos und Billetten (2010). Die Zürcher Gemeinden sowie der Kanton Zürich subventionierten den Betrieb des ZVV mit 360 Millionen Franken, macht pro Einwohner des Kantons 260 Franken – also das Vielfache des Betrages, der offenbar der ÖV in der belgischen Stadt Hasselt kostet, die ebenfalls einen Gratis-Bus anbietet.

Wäre die Fahrt mit Tram, Bus und S-Bahn gratis, liessen sich gewisse Kosten einsparen: Die Löhne für 140 ZVV-Kontrolleure und für das Personal in den neun Ticketerien, welche die VBZ betreiben. Es bräuchte keinen der 1100 ZVV-Ticketautomaten mehr, die gerade für 63 Millionen Franken neu umgebaut worden sind. Es liessen sich somit (Abschreibung der Automaten auf zehn Jahre) um die 20 Millionen Franken jährlich einsparen. Das ist nichts im Vergleich mit den 424 Millionen, die der ZVV 2010 für den Verkauf von Abos und Billetten einnahm. Und die Idee, die Parkgebühren dem ÖV zugute kommen lassen? Die Stadt Zürich hat 2011 rund 30 Millionen Franken aus Parkuhren und aus dem Verkauf von Dauerkarten für die Blaue Zone eingenommen. Aber diese Einnahmen sind ja laut Stadt (siehe Begründung für die Erhöhung der Parkkarten-Gebühren) nicht einmal kostendeckend. Unter dem Strich würde das Gratisfahren also rund 400 Millionen Franken Mehrkosten für die Allgemeinheit bedeuten; das Defizit stiege auf 550 Franken pro Kantonseinwohner.

Da ist der Mehrverkehr, den das Gratisfahren zweifellos bewirken würde, noch nicht mit ein berechnet. Womit wir zur Grundsatzfrage kommen: Muss der ÖV durch besonders, ja absolut günstige Fahrpreise gefördert werden? Wie ist das schon wieder mit den Klagen über fehlende Sitzplätze und überhaupt Plätze zu den Stosszeiten? Der ÖV ist ohnehin extrem attraktiv: Das zeigt der eben veröffentlichte Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2010. Und: Zwischen 2003 und 2010 haben sich die Frequenzen des ZVV um 30 Prozent erhöht.

Wären Tram, Bus und S-Bahn gratis, gäbe es auf den Strassen vielleicht mehr Platz (für die Velofahrer!), aber im ÖV würde es noch enger.

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Mehr Verkehr

Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist gut, der Privatverkehr schlecht, darum heisst er auch MIV (Abkürzung für motorisierter Individualverkehr). Das ist der Konsens der öffentlichen Debatte, von links bis weit über die Mitte hinaus. Insofern ist das Ergebnis des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2010, einer breit angelegten Studie des Bundesamtes für Statistik, Good News. 2010 etwa fuhr eine Person mit der Bahn durchschnittlich 27 Prozent mehr Kilometer als 2005 (als der letzte Mikrozensus gemacht wurde). Generell hat die Benutzung des öffentlichen Verkehrs in den letzten Jahren stark zugenommen – wesentlich stärker als der MIV. Dass dies nicht einfach sauber, modern und zukunftsgerichtet ist, zeigen Überlegungen, die der Ökonom Hans Dünki in der gestrigen NZZ machte. Der ÖV fördert nicht weniger als der MIV die Zersiedelung, und der Ausbau von Schienen und Zugverbindungen generiert genauso wie der Autobahnbau Mehrverkehr. Und: Anders als der MIV, der die Strassenbauten durch die Benzinzölle weitgehend selbst finanziert, erzeugt der ÖV durch seine Zunahme immer höhere Kosten für die Allgemeinheit.

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Polizeiauto von der Polizei abgeschleppt

Da stand das Polizeiauto noch im Parkverbot – jetzt hat es die Polizei in Haft genommen.

Ich habe letzte Woche über die Polizeiauto-Attrappe geschrieben, die nach dem 1. Mai bei mir im Hinterhof stand. Nachdem das hölzerne Polizeiauto tagelang im Parkverbot gestanden hatten, wurde es verschoben – und offenbar auf der Strasse abgestellt. Jetzt wurde es abgeschleppt: von der Polizei, wie 20min.ch gestern berichtete.

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Ein Designpreis für die Hardbrücke

Das Ypsilon ist gebaut: Die Hardbrücke in Zürich-West gesehen vom Prime Tower

Viele Menschen in der Schweiz erleben den Verkehr als grosses Problem – das zumindest fördern regelmässig Umfragen zutage. Sitzt jemand gerne am Steuer oder fährt gerne Bahn, was angesichts der Verkehrsdichte offenbar auf viele zutrifft, dann lieber, ohne den Platz im Zug oder auf der Strasse mit vielen andern teilen zu müssen. Ein Ort, wo sich der Verkehr als vollkommene Schönheit präsentiert, ist der Prime Tower in Zürich. Wer im Bistro Clouds im obersten Stock des höchsten Gebäudes der Schweiz einen Fensterplatz ergattert, geniesst eine uneingeschränkte Aussicht: Nämlich die Vogelperspektive auf dutzende von Bahngeleisen, über die Zug um Zug rauscht, auf Strassen, über die kleine Autos und Lastwagen rollen, auf Bahn- und Strassenviadukte. Die Stadt präsentiert sich als gigantische Modelleisenbahn bzw. Modellstrassenanlage. Natürlich kann man damit nicht spielen, aber man kann sie betrachten. Wer wollte und will die Hardbrücke, diesen angeblichen Schandfleck abreissen? Von hier oben gesehen, müsste sie mit einem Designpreis ausgezeichnet werden. Sozusagen als Wahrzeichen für das kreative Zürich.

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Pazifistische Verbrechensjagd

Sieht so die ökologische Variante eines Polizeiautos aus?

Ist das die ökologische Zukunft des Polizeiautos, dieses kindlichen Traumes unbezwingbarer Motorisierung? Quasi die pazifistische Version der Verbrecherjagd? Seit heute morgen jedenfalls steht dieses Vehikel bei mir im Hinterhof. Seine Karosserie besteht aus Dachlatten und Pavatexplatten, und steht kein Mensch dahinter, der es schiebt, fehlt ihm ein Antrieb. Möglicherweise ist es gestern am 1. Mai in Zürich zum Einsatz gekommen. Und der verlief ja – anders als letzten 30 Maidemonstrationen – durchwegs friedlich.

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Verengte Verkehrspolitik

Kann man die Stadelhoferstrasse auch verengen?

Als eine der wirklichen Unannehmlichkeiten beim Velofahren empfinde ich schmale Strassen. Ich fahre mit dem Rad mit Tempo 25, und natürlich will das Auto oder der Lastwagen hinter mir, die 50 fahren dürfen, mich überholen. Ist Platz genug vorhanden, kein Problem. Ist die Strasse bzw. die Spur schmal, klebt mir der MIV ungeduldig am Hinterrad. Oder überholt eben trotzdem, eine Handbreit an mir vorbei.
In Zürich sind schmale Strassen häufig, viel zu häufig. Einfach, weil diese Stadt bescheiden angelegt wurde. Dies lässt sich nicht ändern, es sei denn, man würde ganze Häuserzeilen abreissen. Seit einigen Jahren passiert aber das Gegenteil: die Strassen werden verschmälert. So geschehen mit der Ämtlerstrasse, mit der Militärstrasse und mit der Bullingerstrasse, um ein paar Beispiele zu nennen. Aufwertung heisst das Programm, neu gepflanzte Bäume sind dessen Umsetzung. Bäume sind ja wunderbar. Aber muss wirklich jede Strasse und fast jede Quartierstrasse in Zürich zu einer Allee werden, wie es das städtische Alleenkonzept vorsieht? Eine Stadt ist eine Stadt und kein Park. Nun wird mit der Ankerstrasse zwischen Helvetiaplatz und Badenerstrasse eine weitere Strasse begrünt und verengt. Diese Behinderung der Autos ist im Sinne der Städteinitiative, die letzten September vom Stadtzürcher Stimmvolk angenommen wurde und den Abbau des MIV postuliert. Aber fördert diese Verengung umgekehrt den Veloverkehr, wie das die Städteinitiative auch verlangt? Eben. Irgendwie ist dieses Verengen eine verengte Sicht der Dinge.

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Bin ich mein Auto?

Findet mich das Glück? Auto von Fischli/Weiss (©P. Fischli, D. Weiss, Verlag der Buchhandlung Walther König)

Der Tod von David Weiss (Fischli/Weiss) hat mich dazu verleitet, wieder einmal im Fischli/Weiss-Bändchen «Findet mich das Glück?» (Verlag der Buchhandlung Walther König) zu blättern. Und siehe da, das wunderbare Künstlerduo hat auch zum Thema Auto einige wichtige Fragen aufgeworfen. Nämlich:
«Fährt nachts ein Geist mit meinem Auto?»
«Ist der Geist, der nachts mit meinem Auto herumfährt, meine Seele?»
«Fährt manchmal nachts meine Seele ohne Auspuff in der Gegend herum?»
«Füllt sich das Auto während der Fahrt mit Gefühl?»
«Kennt mich mein Auto?»
«Bin ich mein Auto?»

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Das Multi-Options-Signal

Halblinks oder halbrechts geradeaus? Signalisation vor der Stauffacherbrücke in Zürich.

Verkehrssignale sind bekanntlich entweder Gebote, Verbote, Warnungen oder Wegweiser. Dieses Zeichen (siehe Bild), kürzlich vor der Stauffacherbrücke in Zürich auf die Strasse gespritzt, ist eine neue Art Signal: Es signalisiert die Multioption – für ein und dieselbe Richtung. Offensichtlich führen beide Wege über die Brücke. Das Velo-Symbol mit den beiden Pfeilen ist das Gegenteil des Wegweisers «alle Richtungen», der den Verkehr bündelt. «Eine Richtung, zwei Wege»: Das ist schon fast philosophisch. Oder ist halblinks oder halbrechts in diesem Falle eher eine Frage des Glaubens – beginnt an dieser Kreuzung demnach ein Kreuzweg? Ob Glauben oder Philosophie: Die Zeichensetzer wollen die Velopiloten offenbar zum Innehalten anhalten – mitten auf der Kreuzung. Verkehrsberuhigung heisst also die wahre Absicht hinter dem Signal.
P.S.: Aus Erfahrung kann ich zwei Tipps zur Entscheidungshilfe geben: Wer bei der nächsten Kreuzung geradeaus fahren will, wähle die Autospur. Wer dort nach rechts in den Veloweg der Sihl entlang einbiegen will, nehme die Velospur auf dem Trottoir.

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Der Umverkehr findet statt

Umverkehr an der Zypressenstrasse im Kreis 4: Die Strasse wird neu und schmäler.

Letzte Woche beklagten Vertreter der Umweltorganisation Umverkehr an einer Medienkonferenz, dass die Stadt Zürich nicht vorwärts mache mit der Umsetzung ihrer im September letzten Jahres angenommenen Initiative. Die Vorlage sieht die Reduktion des Autoverkehrs in Zürich um zehn Prozentpunkte innerhalb von zehn Jahren vor. Tatsache ist, dass die Stadt mit jeder Strassensanierung tut, was die Initianten verlangten und das Stadtzürcher Stimmvolk bejahte: den Platz für die Autos einschränken und den Raum für die Fussgänger erweitern. So ist es im Falle der bevorstehenden Umgestaltung des Sechseläutenplatzes, wo bekanntlich eine Fahrspur am Utoquai verschwinden soll. So ist es am Verkehrsknotenpunkt Albisriederplatz, wo nach dem geplanten Umbau auf beiden Seiten der Tramhaltestelle je eine Fahrspur verschwindet, wie die noch heute Montag einsehbaren Pläne des Tiefbauamtes zeigen. Die Zypressenstrasse nebenan wird gerade neu angelegt – und verschmälert. An der Gutstrasse, ebenfalls in Wiedikon, wird eine sogenannte Kaphaltestelle eingerichtet, die das Überholen eines haltenden VBZ-Busses verhindert (die Pläne sind nicht mehr einsehbar). Schmäler wird auch die Ankerstrasse im Kreis 4. Recht haben die Umverkehr-Leute in einer Hinsicht: Die Stadt tut wenig für die Umsetzung der in der Initiative enthaltenen Förderung des Veloverkehrs. Durch die Verengungen der Strassen zu Gunsten von Fussgängern – und in den meisten Fällen – von Bäumen, wird auch der Raum fürs Velo knapper.

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