Ein Hoch auf den Sozialismus

Kim Jong-Il: auf dem Dach eines alten Lincoln ins Mausoleum

Das Begräbnis von Kim Jong Il war ein grosses Spektakel – nicht zuletzt wegen der Autos, auf denen sein Konterfei und sein Sarg transportiert wurden. Es waren umgebaute Lincolns aus den siebziger Jahren. Was auf zwei Charakteristiken sozialistischer Herrschaften hinweist. Erstens: Ihr Gebrauch von Staatskarossen ist sehr nachhaltig. Anders als Merkel, Obama oder Sarkozy, die jeweils das neuste Top-Modell ihrer Autoindustrie zur Schau fahren, bleiben Staatskarossen, einmal angeschafft, Jahrzehnte in Gebrauch. Zweitens, während Merkel, Obama und Sarkozy als Pappfiguren ihrer Autoindustrie auftreten, offenbaren sozialistische Herrscher – siehe Kim Jong Ils Fahrt auf dem Amischlitten ins Mausoleum – eine wahrhaft internationalistische Gesinnung und keinerlei Berührungsängste zum Feindesprodukt.

Leonid Breschnew: In einem alten ZIL bei der 30-Jahr-Feier der DDR (Bild: Kluge).

Das Design der sowjetischen Nobelmarke ZIL war stets amerikanischen Modellen abgekupfert. Und die darum stets etwas altmodisch gestylten Sowjet-Limousinen blieben lang im Dienst – etwa so lange wie ihre Passagiere im Amt. Der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew, ein Autofreak und privat Besitzer von angeblich 324 Wagen, wurde 1979 bei den 30-Jahr-Feiern der DDR in einer Limousine chauffiert, die aussah wie ein Ami-Strassenkreuzer aus den Fünfzigern.

Woicjech Jaruzelski: In den 1980ern mit einem ZIL, der aussieht wie ein 50ies-Chevrolet (Bild: Arte)

Und Polens General Jaruzelski nahm noch in den achtziger Jahren aus demselben Modell (ZIL 111 von 1960) eine Parade ab, wie letzte Woche in einem Arte-Film über den Untergang des Sowjetreiches zu sehen war. Fidel Castro benützte den ZIL 111 G von 1963 – und zeigte aus diesem 1989 Sowjetführer Michail Gorbatschow Havanna. Ein Hoch auf soviel Nachhaltigkeit.

Im Westen kann da nur die Queen mithalten. Aber die hat mit dem Kapitalismus ja auch wenig am Hut. Und so fährt die Monarchin bei wichtigen Anlässen wie der Trauung ihres Enkels letztes Jahr mit der Kutsche vor.

Gorbi und Fidel: Auch dieses Ami-look-a-like ist ein Sowjetmobil.

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Begegnungszone statt Schnellstrasse

Da kommt man sich näher: Schwelle in der Begegnungszone Luisenstrasse

Die Idee, die Josefstrasse zu einem Velo-Highway vom Zürcher Hauptbahnhof zur zukünftigen Hochschule der Künste (ZHDK) auf dem Toni-Areal umzufunktionieren, hat in den letzten Tagen auf www.westnetz.ch zu einer angeregten Debatte geführt (www.westnetz.ch/story/velohighway). Hervorgebracht hatten die Idee einerseits Christoph Gysi, Wirt des «Les Halles» und Präsident der Kulturmeile Zürich-West, andererseits der Grüne Gemeinderat Matthias Probst mit einem Postulat an den Stadtrat. Was alle übersehen haben: Die Stadt Zürich hat mit der Josefstrasse anderes vor. Sie will dort, zwischen Röntgenplatz und Luisenstrasse, eine Begegnungszone einrichten. So hat sie es letzten April im «Tagblatt» publiziert. Inzwischen haben Rekurse die Sache verzögert, doch die Zone dürfte 2014 Realität werden, wie die Dienstabteilung Verkehr erklärt. «Begegnungszone» heisst, abgesehen vom pleonastischen Namen (als wäre nicht wäre nicht jede Strasse ein Ort der Begegnungen): Tempo 20 und jederzeit Vortritt für Fussgänger. Und meistens bedeutet das auch: zusätzliche Hindernisse wie Schwellen und Verengungen, wie in der Luisenstrasse, die schon seit 25 Jahren eine Begegnungszone ist. Nicht gerade das, was Velofahrer freut, die Velo fahren, weil sie damit in der Stadt schneller als mit jedem anderen Verkehrsmittel vorankommen.

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Rollendes Lager

Skilager sind out, Zugfahren aber ist in. Ein Paradox. Bahn-, ja überhaupt ÖV-Fahren ist wie ein Lager auf Rädern. Man ist zusammengepfercht, riecht den Schweiss der anderen. Die Grenzen der eigenen Freiheit sind sehr eng gezogen. Natürlich kämpft man dagegen. Belegt im Zug alleine ein Viererabteil, besetzt die leeren Sitze mit Taschen, trotz der neuen Lagerordnung der SBB, dafür extra ein Billett lösen zu müssen. Steigen mehr Passagiere ein, als es Abteile im Wagen hat, wird die Freiheit zur Kampfzone. So ist es auch, wenn man an einem  heissen Sommertag in einem alten Wagen sitzt, dessen Klima nicht gekühlt ist, der dafür Fenster hat, die sich öffnen lassen. Macht man davon Gebrauch, so meldet sich gewiss eine Person aus der hintersten Ecke des Wagens, und fordert mit Verweis auf ihre Empfindlichkeit auf Durchzug die augenblickliche Schliessung des Fensters. Kürzlich sass ich in der Rhätischen Bahn, draussen war es kalt und ich warm gekleidet; die Heizung strahlte wie ein heisser Backofen. Alleine im Wagen, konnte ich die Temperatur runter drehen. Bis zum nächsten Halt. Leute stiegen zu, drehten den Heizschalter bis zum Maximum und entledigten sich Mänteln, Jacken und Pullovern, bis sie im T-Shirt da sassen. Es war wie nachts im Massenlager, wenn die einen schlafen und die anderen blödeln wollen. Ich ordnete mich unter.

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Falsche Signale

Was gilt? Verkehrssignale bei den Viaduktbögen in Zürich-West.

Die Stadt Zürich lichtet nun also den Schilderwald, wie sie letzte Woche bekanntgab. Das ist ja gut und recht, zumal Experten schon lange bemängeln, zuviele Signale würden die Verkehrsteilnehmer nur verwirren. An der hehren Absicht des grünen Polizeivorstandes Daniel Leupi zweifeln lässt aber die eine vom «Tages-Anzeiger» geschilderte Massnahme: Am Central wurden die grünen Autobahnwegweiser durch ein Schild mit dem Autobahnsignet drauf ersetzt, das alle, ob sie nach Chur, Bern oder St. Gallen wollen, in die selbe Richtung lenkt – zur Nordumfahrung. Dieser empfohlene Umweg für die Ahnungslosen klingt stark danach, als wolle die Stadtverwaltung einmal mehr den Autofahrern das Fahren vergällen.

Auch das Bundesamt für Strassen (Astra) will, wie der Tagi publik machte, den Schilderwald lichten. Es erwägt die Entfernung der «Generell 50»-Signale, die jeweils auf der selben Stange sitzen wie die Ortsschilder. Was damit gewonnen wäre, ist rätselhaft. Vermutlich will man – ausgerechnet mit der Entfernung eines Signals – wieder mal ein Zeichen setzen, also rein symbolisch handeln.

Das Problem ist doch dies: Die Signalisation ist oft zu kompliziert, vor allem innerorts. An der einen Kreuzung führt die Strasse zwar weiter geradeaus, aber befahren darf sie nur der Bus. Hier ist rechts, dort links abbiegen verboten – wieso eigentlich? Bei der Einmündung einer Einbahnstrasse in eine Hauptstrasse steht ein kleines Kein-Vortritt-Schild (für Velos), und prompt glauben Autofahrer, sie dürften die Strasse in beiden Richtungen befahren. Diese detailversessene Verkehrsleitung führt dazu, dass sich Schilder manchmal widersprechen, wie hier im Kreis 5 (siehe Bild). Es ist ein bisschen wie mit der Steuererklärung: Es gibt bei der Verkehrsregelung so viele Ausnahmen, dass niemand den Überblick behält. Am Steuer braucht man eine Erklärung, die des Navi. Oder man foutiert sich um alle Regeln und fährt dort durch, wo es einen passt – das Privileg von allen, die mit dem Velo unterwegs sind.

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