Hieroglyphen von heute

Toutes directions (oder so) à Zurich.

Zürichs Offensive für den Ausbau des Veloroutennetzes schlägt sich in vielen grossen Symbolen nieder. In gelben Pfeilen nämlich, welche städtische Arbeiter an allen möglichen Strassenecken auf den Asphalt malen. Ortsunkundigen und unsicheren Radlern mögen die leuchtenden Signale helfen, indem sie zu bestätigen scheinen: «Jawohl, Du bist auf dem richtigen Weg!» Ich habe an dieser Stelle schon gelästert über die Symbolik. Aber ich muss nun gestehen: Auch ich freue mich an den Zeichen. Sie erinnern mich an meinen vor 15 Jahren verstorbenen Freund Hans-Rudolf Lutz, den begeisterten Typografen. Der hatte jahrelang auf

Pfeile, gesammelt von Hans-Rudolf Lutz (aus: «Hieroglyphen von heute», Verlag HR Lutz, 1990)

Streifzügen in der ganzen Welt Zeichen aus Kartonschachteln ausgeschnitten, weil er fasziniert war von diesen «Hieroglyphen von heute», wie er sie nannte. 1990 veröffentlichte er die Sammlung in einem dicken Buch, aus dem sich seither zahllose Gestalterinnen und Gestalter bedient haben. Die neuen Zürcher Velozeichen hätten Lutz in ihrer vielfältigen Einfachheit und Widersprüchlichkeit gut gefallen.

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Erzwungene Ruhe

Ruhn! Auch wenn der Wagen und der Zug bis auf den letzten Platz besetzt sind.

Gestern reiste ich in einer SBB-Ruhezone. Aus Zufall. Und aus Unachtsamkeit. Und vor allem aus reiner Notwendigkeit. Es war der einzige von drei Erstklasswagen im IC von Landquart nach Zürich, in dem noch einzelne Plätze frei waren. Im Wagen begab ich mich dann zu einem Bekannten, den ich auf dem Perron getroffen hatte. Nachdem wir höchstens zwei Minuten geplaudert hatten, erhob sich ein Mann im Abteil nebenan, zog den iPod-Stöpsel aus einem Ohr, und sagte zu uns, während er auf das Symbol an der Scheibe zeigte: «Hören Sie bitte auf zu sprechen. Hier ist eine Ruhezone.» Einigermassen verduzt erwiderte ich, er höre doch Musik. Er: «Das tut nichts zur Sache. Hebed Sie eifach Ihri Schnurre.» Hoppla. Der Mann war aggressiv. Da ich keine Faust in meine Fresse wollte, beendete ich das Gespräch mit meinem Bekannten und kehrte an meinen Platz zurück. Ich erinnerte mich an eine ähnliche Situation, die ich vor ein paar Monaten in einem belebten Café in Zürich erlebt hatte. Ich traf mich dort mit einer Kollegin, um eine gemeinsame Arbeit zu besprechen. Nach einer Weile rief uns ein Mann in meinem Rücken mit erregter Stimme zu, wir sollten leiser sein. Ich drehte mich um. Der Mann sass am Nebentisch über einem Laptop. «Wieso macht Ihr Eure Besprechung nicht zu Hause oder im Büro?» herrschte er mich an, «ich muss arbeiten und mich konzentrieren!»
Sich in ein beliebtes Café zu begeben, um dort in Ruhe zu arbeiten – auf diese Idee muss man erst mal kommen. Zugegeben, wir waren, weil begeistert über unser Projekt, etwas laut. Wir gaben uns dann Mühe, Rücksicht auf seine Befindlichkeit zu nehmen, und etwas leiser zu sprechen. Der Mann der im Zug in der Ruhezone reiste, hingegen verteidigte sein verbrieftes Recht, wie zuhause die Konsultation die entsprechende SBB-Seite ergab. In der Ruhezone sind Gespräche und Diskussionen verboten – gleich in welcher Tonlage. Ebenso Telefongespräche und das Abspielen von Filmen und Videos auf dem Laptop. Allerdings hätte der Mann auch sein Musikgerät abstellen sollen: Auch Musik und Radio hören sind verboten.
«Völlig ungestört reisen» versprechen die SBB Ruhezone-Reisenden. Eine eigentümliche Sache. Wer sich unter andere Menschen zu begibt, läuft Gefahr, gestört zu werden. Folgerichtig müssten die Menschen in Ruhezonen mit baulichen Massnahmen vor ihren Mitmenschen geschützt werden. Statt Abteilen in denen man sich gegenüber sitzt, wären Einer- und Zweiersitze wie in Bus und Tram angemessen. Dann müsste ein besonders ruhebedürftiger wie der Zeitgenosse von gestern nicht den gegenüberliegenden Sitz mit seinen Skistöcken verbarrikadieren, trotz der Lautsprecheraufforderung, wegen des grossen Andrangs alle Sitze von Gepäck zu befreien.
Übrigens: Nach dem Auftritt des gestörten Herrns herrschte im vollbesetzten Eisenbahnwagen gespannte Ruhe. Die Leute sassen verdattert in den Abteilen nebenan. Der Mann hatte den Wagen zur Ruhe befriedet.

In ÖV, mit dem Zug, SBB veröffentlicht | 14 Antworten

Bebaute Parkplätze

Mach mal blau: von Baumaterialien belegte Parkplätze in der Zürcher Josefstrasse.

Im Zürcher Kreis 5 haben die lange geplanten grossen Arbeiten zur Erneuerung der Quartierstrassen begonnen. Wie üblich, werden zuerst Materialien deponiert und Baubaracken aufgestellt. Wo? Natürlich auf den Parkplätzen der Blauen Zone. Sowohl in der Josef- wie auch an der Heinrichstrasse, wo seit kurzem Bauinstallationen stehen, gibt es auch weisse Parkplätze. Honi soit qui mal y pense – der Verdacht liegt nahe: Die Stadt benütze lieber die bereits (via Parkkartengebühren) bezahlten Plätze als jene, für die sie von morgens um acht bis abends um neun zwei Franken pro Stunde kassieren kann. Aber Arthur Müller, der zuständige Chef in der städtischen Dienstabteilung Verkehr (DAV), hat dies gegenüber diesem Blog schon einmal verneint. Aber ist es nicht unfair, den Anwohnern, die ohnehin den Baulärm zu ertragen haben, ihre schon bezahlten Parkplätze wegzunehmen? DAV-Sprecher Heiko Ciceri: «Es gibt in diesen Situationen immer einen Zielkonflikt zwischen Anwohnern und Gewerbe. Das Gewerbe will freie, also weisse Parkplätze.» Wirklich? «Die Kunden parkieren noch so gerne in der Blauen Zone. Echt clever gelöst von der Stadt, die Blaue Zone zu benutzen und mit den Parkuhren weiterhin Geld zu verdienen,» sagt Elio Camponovo, interimistischer Präsident des Gewerbevereins Kreis 5 Zürich-West.

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Randstein des Anstosses

Welcher ist besser: Randstein 4A oder….

Perfektionismus zeigt sich bekanntlich im Detail – bei der schweizerischen Strassenbaukunst etwa in der Gestaltung der Randsteine. Einst hatten diese die simple Funktion, die Strasse vom Trottoir zu trennen. In den letzten Jahren aber sind sie multifunktional geworden. Für Rollstuhlfahrer und Kinderwagenschieberinnen legt man Randsteine bei Bedarf tiefer. Es gibt sie in den verschiedensten Höhen, je nachdem, wie niederschwellig der Zugang der zu Fuss Gehenden zur Strasse sein soll. Und immer häufiger werden Randsteine quer durch Strassen gelegt, mit dem Zweck, den rollenden Verkehr zu beruhigen, also zu verlangsamen. Klar, dass je nach Situation die einen oder die anderen Verkehrsteilnehmer verärgert sind. Die Blinden etwa wehren sich für den Randstein des Anstosses, weil sich ohne klaren Absatz mit dem Stock die Grenze zwischen Fahrbahn und Trottoir nicht mehr ertasten lässt.

…Randstein 4B im Randsteinlabor an der Förrlibuckstrasse in Zürich-West?

Um den Randstein der Weisen zu finden, hat nun das Tiefbauamt der Stadt Zürich ein «Randsteinlabor» eingerichtet, mit Unterstützung von Pro Velo, des Astra und des Eidgenössischen Gleichstellungsbüros für Behinderte. Velofahrerinnen, Blinde, Rollstuhlfahrer und andere Gehbehinderte sind eingeladen, an der Förrlibuckstrasse in Zürich-West bis im März insgesamt 14 Randsteinformen auf ihre Benutzerfreundlichkeit zu testen und mittels eines Fragebogens zu bewerten.
Ich kann die Sache nur aus einer Warte beurteilen: Mit dem Velo ist eine schräge Ebene alleweil besser zu befahren als eine Kante, und eine breite schräge Ebene ist besser als eine schmale.
Und was meinen jene, die nicht zum Test ins Randsteinlabor eingeladen sind – die Autofahrer?

Beliebter Kehrplatz: Heinrichstrasse/Langstrasse mit tiefer gelegten Randsteinen.

Vielleicht gibt darüber die Kreuzung Lang-/Heinrichstrasse im Kreis 5 Aufschluss. Dort sind seit ein paar Jahren drei Typen von Randsteinen eingebaut. Nämlich: ein ganz kleiner Absatz beim Fussgängerstreifen, gefolgt von einer schiefen Ebene, welche auf die erhöhte Einmündung der Heinrichstrasse führt, dann ein schmaler, vollkommen flacher Abschnitt für die Velofahrer, schliesslich erneut ein kleiner Absatz beim zweiten Fussgängerstreifen. Fazit: Die Mündung ist beliebt als Kehrplatz für alle Arten von Fahrzeugen, die am Limmatplatz nicht nach links auf die Kornhausbrücke abbiegen können. Sie entern das Trottoir über den flachen Absatz beim ersten Fussgängerstreifen, wenden auf der Strassenmündung und kehren beim zweiten Fussgängerstreifen zurück auf die Langstrasse.

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Scheingefecht vor der Oper

Utoquai am Sechseläutenplatz: Wer hat mehr Spuren? Links oder rechts?

Der Kampf um den Abbau einer Fahrspur am Zürcher Sechseläutenplatz ist ein reines Scheingefecht. Sachlich geht es um so gut wie nichts. Für die Gestaltung des Platzes ist der von der Stadt geplante Abbau einer Autospur an zwei Stellen nicht notwendig – die Entfernung des Asphalts bringt 300 m2 Landgewinn – die restliche Fläche des Sechseläutenplatzes beträgt 15 400m2. Es geht also um zwei Prozent mehr oder weniger Flanieren. Für den Autoverkehr sind die je nach Quelle 70 oder 100 Meter weniger Spur nicht wirklich wichtig; seit der Sperrung des Limmatquais ist das Rechtsabbiegen vor dem Bellevue halb so interessant (was auch Verkehrszählungen zeigen). Und eine Spur soll dafür ja zwischen Opernhaus und Bellevue bestehen bleiben. Aber es geht in dem Streit natürlich um Symbolik: Abbau der Freiheit gegen Aufwertung der Stadt. Autofahrende Agglos gegen umweltfreundliche Städterinnen. Regierungsrat gegen Stadtrat. Links gegen rechts – mit dem Abbau der kurzen vierten Spur nach rechts vor der Ampel am Bellevue würden die politischen Verhältnisse in der Stadt signalträchtig zementiert: Nach links (Quaibrücke) führten dann zwei, nach rechts (Rämistrasse) nur noch eine Spur. Das Polittheater wird noch ein Weilchen weiter gehen. Wie’s rauskommt, ist eigentlich völlig egal.

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SBB: verspätet, aber kulant

Ich hatte heute das Vergnügen, mit der SBB von Zürich nach Basel und wieder zurück zu fahren. Nichts Aufregendes, wäre da nicht die Kollision im Bahnhof Lenzburg gewesen letzte Nacht. Während der drauffolgende Zug nach Basel gestrichen ist, fährt am Morgen der Zug, den ich besteigen will, wenn auch mit zehn minütiger Verspätung. Statt über Lenzburg–Olten geht’s via Bözberg nach Basel. «Daher verlängert sich die Reise um zehn bis 15 Minuten,» erfährt man via Durchsage. Und so ist es denn auch, mit 23 Minuten Verspätung kommen wir in Basel an. Umgekehrt habe ich Glück, den IC, der mich von Basel nach Zürich bringen soll, kurz nach Mittag noch zu erreichen. Der Zug, eine kurze Ersatzkomposition, steht mit einer angekündigten Abfahrtsverspätung von vier Minuten noch da. Schliesslich verlässt er Basel zehn Minuten zu spät, kurz nachdem IR, der via Bözberg und vielen Zwischenstopps nach Zürich fährt, Basel SBB verlassen hat. Auch unsere Reise geht via Bözberg, wie uns bald mitgeteilt wird; in Lenzburg wird noch immer aufgeräumt. Also zuckeln wir hinter dem IR her, überholen ihn in Stein-Säckingen. Kurz nach dem Bözberg bleibt unser Zug kurz nacheinander zweimal auf offener Strecke stehen – der Zugsführer meldet sich per Lautsprecher, bittet um Geduld und kündigt an, sich wieder zu melden, sobald er den Grund für den Halt kennt. Der Grund braust bald vorbei – der überholte IR, der offenbar aus irgendeinem Grund vor uns Brugg erreichen soll (wo er hält und wir nicht). So zuckeln wir wieder hinter ihm her, der Zugführer meldet sich noch ein paar in freundlichem «here is your captain speaking»-Tonfall und entschuldigt sich für die Verspätung, die in Zürich 28 Minuten beträgt.
Das Beste an der Reise – abgesehen von der zauberhaften Winterlandschaft, die sich vor den Fenstern ausbreitet – ist die Kulanz des gleichen Zugführers. Ich hab ein Erstklass-Billett, sitze aber mangels Platz in der selbigen in der 2. Klasse. Allein auf meine Frage hin, ob der volle Erstklasswagen der einzige des Zuges sei, schreibt er mir eine Gutschrift aufs Billett – damit könne ich die Preisdifferenz zurückfordern. Mal schauen, obs funktioniert. Morgen ist die nächste Bahnfahrt fällig, und ich werde das Billett ausnahmsweise am Schalter lösen.

In ÖV, Billette, mit dem Zug, SBB veröffentlicht | Kommentieren

Für Fussgänger, gegen Autofahrer

Verkehrsfragen spalten die Meinungen. Das zeigen regelmässig die unzähligen Leserkommentare etwa auf tagesanzeiger.ch. Und in ihren heutigen Ausgaben die guten alten Tageszeitungen. Tagi und NZZ berichten völlig unterschiedlich über eine Kleinigkeit – den gestern von der Stadt Zürich angekündigten Umbau der Tramhaltestelle am Römerhof. Der Tagi legt den Fokus auf die Vorteile, welche die geplante Kaphaltestelle für die Fussgänger bringt. Er übernimmt den positiven Tonfall der städtischen Medienmitteilung und verkündet eine frohe Botschaft: «Beim Römerhof kann man die Strasse bald ohne Angst passieren.» Die NZZ dagegen sieht in erster Linie die Nachteile für die Autofahrer. Sie beginnt ihren Artikel mit dem Satz: «In der Stadt Zürich wird das Tiefbauamt nicht müde, Strassen umzugestalten und dabei regelmässig Spuren für den motorisierten Individualverkehr abzubauen oder zusammenzulegen». Wer Recht hat, ist eine Frage der Perspektive, also wie man selbst unterwegs ist. Wenn die Baupläne vorliegen, wird man im übrigen besser beurteilen können, ob der Spurabbau für die Autos tatsächlich zwingend ist, um die Haltestelle verlängern und begradigen zu können, wie dies das Tiefbauamt impliziert.

In ÖV, mit dem Auto, mit Tram und Bus, VBZ, zu Fuss veröffentlicht | 1 Antwort

Schnee auf Velostreifen

Hat da noch ein Velo Platz? Schneehaufen an der Ecke Rudolf-Brun-Brücke/ Limmatquai (am 3. Dezember).

Mit dem Masterplan Velo will die Stadt Zürich bekanntlich das Velofahren fördern. Alle Menschen in der Stadt «sollen motiviert werden», aufs Rad zu steigen. Dafür will die Stadt «departementsübergreifende Koordinations- und Kooperationsstrukturen» schaffen, «Dienstleistungen und Produkte erarbeiten, vermarkten und kommunizieren», um das «Thema Velo zu positionieren» und eine «Imagekampagne» starten, wie es im Masterplan heisst. Wie wärs, wenn die Angestellten der betreffenden Ämter bei ihrer Arbeit ganz einfach an die Velofahrer denken würden? Und beispielsweise, auch die Velostreifen vom Schnee befreien würden? Oder sie zumindest nicht als Freifläche für Schneehaufen missbrauchen würden, wie diese Woche an der Rudolf-Brun-Brücke? Für Rechtsabbieger ist die Ecke zum Limmatquai mit einer gefühlten Radbreite Asphalt zwischen Trottoir und Tramschienen auch ohne Schnee eines der kniffligeren Hindernisse im Stadtparcours.

In mit dem Velo veröffentlicht | 1 Antwort

Mehr für alle

Die Autobahnvignette für 2013 kostet 40 Franken. Für den Bau neuer Strassen soll der Vignettenpreis auf 100 Franken erhöht werden.

Der Ständerat debattiert über den Ausbau des Eisenbahnnetzes, und die «NZZ am Sonntag» hat gestern darüber berichtet, dass Bundesrätin Leuthard nach einem neuen Fonds zur Finanzierung der Bahn auch einen für die Strasse einrichten will. Die Sachlage ist kompliziert und abstrakt – so what? Ob und wie Kürzel wie Fabi, BIF oder NIF in die Realität umgesetzt werden, wird jeder früher oder später spüren – in Form höherer Benzin- oder Billettpreise, von mehr Baustellen oder längeren Wartezeiten. Darum also ein kleiner Versuch, die Komplexität der Lage zu vereinfachen.
Das Prinzip des Problems ist simpel: Alle wollen mehr, und für dieses Mehr braucht es mehr Geld. Ergiebigste Finanzquellen waren bisher die Mineralölsteuer und der Mineralölsteuerzuschlag, die der Bund auf Diesel und Benzin erhebt; ein Liter Benzin wird seit 1993 mit rund 73 Rappen besteuert. Diese Steuer brachte in den letzten Jahrzehnten soviel Geld ein, dass man damit Autobahnen bauen und unterhalten, Haupt- und andere Strassen landauf landab subventionieren und den Bau der Neat mitfinanzieren – und dazu noch die allgemeine Bundeskasse mit Milliardenbeiträgen unterstützen konnte. Die simple wie hohe Steuer hat zudem die Wirkung einer Lenkungsabgabe: Wer ein sparsames Auto fährt, spart Steuern. Und das taten und tun viele, dank der steten Effizienzsteigerung der Automotoren. Als Folge stagnieren die Einnahmen aus den Treibstoffsteuern. Was tun? Aus umweltschützerischer Sicht müsste man sagen: «Wir setzen weiter auf die Lenkungswirkung und bauen nur noch so viele Strassen, wie wir mit diesen Steuereinnahmen finanzieren können.» Man würde damit den ÖV fördern, ohne Geld für teure Marketingaktionen auszugeben. Aber dieser ist ja genauso überlastet wie das Strassennetz – zumindest auf gewissen Strecken, zu bestimmten Zeiten. Darum soll ja die Bahn bis 2025 nach dem Willen des Ständerates mit 6,4 Milliarden Franken weiter ausgebaut werden. Und natürlich wird der ÖV und wird auch das Nationalstrassennetz weiter ausgebaut werden – in der Herbstsession hat das Parlament ja 376 Kilometer Kantonsstrassen per Anfang 2014 zu Nationalstrassen erklärt. Und natürlich werden die Interessengruppen ein Finanzierungsmodell aushandeln, schön ausgewogen mit Erhöhungen diverser Steuern und Gebühren und mit Senkungen von Steuerabzügen zugunsten von mehr Verkehr für alle. Aber irgendwann wird man nicht um zeitabhängige Tarife für Strasse und Schiene herumkommen, um die bestehende Infrastruktur besser zu nutzen, bevor man sie weiter für Spitzenfrequenzen ausbaut. Das wäre dann das Mobilitypricing für alle.

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(K)eine Verspätung

Wer einen selten fahrenden Bus wie den 764er erreichen will, muss sorgfältig planen.

Der ÖV ist ein Massengeschäft. Fürs Individuum aber kommts auf Details an.
Kürzlich nahm ich morgens die S-Bahn von Zürich nach Glattbrugg. Hunderte von Menschen standen auf dem Perron. Die S-Bahn kam zu spät. «Bitte die Türen freigeben, damit der Zug abfahren kann,» sagte eine Stimme live über die Lautsprecher, als die Masse in die Wagen drängte. Mit vier Minuten Verspätung fuhr die Bahn dann ab, was nach ZVV-Massstäben als pünktlich gilt (erst sechs Minuten werden als Verspätung gewertet). Vier Minuten – soviel betrug die Umsteigezeit zum Bus, den ich in Glattbrugg erreichen musste, um mein Ziel im Industriegebiet von Rümlang zu erreichen. Den Bus sah ich dann von hinten – wie er abfuhr. Als Ortskundiger hätte ich gewusst, in welchen S-Bahn-Wagen ich einsteigen muss, um in Glattbrugg möglichst nahe beim Perronabgang, der zur Bushaltestelle führt, aussteigen zu können. So stand ich nun im Wartehäuschen einer verlassenen Bushaltestelle, stellte fest, dass keine Verspätung rasch zu einer grossen Verspätung anwachsen kann: Der nächste Bus fuhr in 30 Minuten. Ich konsultierte die Wemlin-App meines iPhones, und fand heraus, dass es einen zweiten Weg zu meinem Ziel gibt, Tram bis Balsberg, dort auf einen Bus umsteigen. Leider kam in diesem Morgen auch das Tram zu spät; dank Wemlin konnte ich meinen Wissensrückstand als Ortsunkundiger allerdings wettmachen. Ich wusste, dass sich einsteigen nicht mehr lohnt – statt in Glattbrugg hätte ich am Balsberg lange auf den nächsten Bus warten müssen.
Die Moral der Geschichte? Sei nicht naiv, rechne mit Verspätungen (auch wenn es offiziell gar keine sind).

In ÖV, mit dem Zug, mit Tram und Bus, SBB veröffentlicht | Kommentieren
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