Schneller mit Tempo 30

Könnte nicht nur Quartierstrassen beruhigen, sondern auch den Verkehr auf Hauptstrassen beschleunigen: Tempo 30.

Könnte nicht nur Quartierstrassen beruhigen, sondern auch Hauptstrassen beschleunigen: Tempo 30.

In den letzten Tagen ist in den Medien wieder mal die Diskussion über die Einführung von Tempo 30 zwecks Lärmverminderung ausgebrochen. Wer keine Zeit zum Flanieren und keine Lust zum Bummeln verspürt, mag die Forderung nach Tempo 30 auf Hauptstrassen für absurd halten. Das ist sie aber nicht. Unter Umständen beschleunigt Tempo 30 das Fortkommen der Verkehrsteilnehmer – auch des MIV. Das zeigt das Beispiel Köniz: Das Zentrum der 39’000-Einwohner-Stadt am Rande von Bern ist seit einigen Jahren nur im Zeitlupentempo zu befahren – und die Autofahrer kommen trotzdem schneller vorwärts, wie eine Untersuchung ergab. Das Geheimnis der schnellen Tempo-30-Zone? Zunächst: Die Demontage der Lichtsignale. Die «unproduktive» Zeit beim Umschalten der Ampeln, während der niemand Vortritt hat, entfällt. Ebenso die unnützen Phasen, in denen eine Verkehrsrichtung Grün hat, obwohl gar niemand da ist. Auch die Fussgängerstreifen wurden (wie in jeder Tempo-30-Zone) entfernt. Zu Fuss darf die Strasse überall und jederzeit gequert werden – sofern die Fahrbahn frei ist. Niemand hat unter dem deregulierten Regime einer Tempo-30-Zone grundsätzlich Recht. So wird die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer gefördert. Und das ist gut so: Denn Unaufmerksamkeit am Steuer ist die häufigste Unfallursache – weit mehr als das Rasen etwa.
Köniz ist natürlich nicht Zürich. Die Stadt, die letztes Jahr mit dem Wakker-Preis ausgezeichnet wurde, hat kein Tram. Die Strassenbahn aber hat ein Problem: Sie hat einen drei bis viereinhalb Mal längeren Bremsweg als Autos. Neuralgische Kreuzungen zwischen Tram und dem Rest des Verkehrs müssten also weiterhin mit Ampeln geregelt werden, will man schlimme Zusammenstösse vermeiden. Näherte sich ein Tram, so würde, wie schon heute, die Ampel für alle andern auf rot schalten. Wäre das Tram durch, würde sie aber gelb blinken –Auto- und Lastwagenfahrer, Velofahrerinnen und zu Fuss Gehende müssten sich verständigen. Vielleicht würden sie sich zuwinken – eine win-win-Situation.

In Billette, mit dem Auto, Polizei, VBZ, ZSG veröffentlicht | 1 Antwort

Wehret dem MIV am Römerhof

Bald gibt es hier mehr Bäume und Pflastersteine: Römerhof in Zürich.

Bald gibt es hier mehr Bäume und Pflastersteine: Römerhof in Zürich.

Heute hat die Stadt Zürich die Umbaupläne für den Römerhof veröffentlicht. Wie schon in der Vorankündigung im Dezember angetönt, verheissen sie für die Autofahrer nichts Gutes, nämlich Stau. Was hier geplant ist, wird den Autoverkehr weit mehr stören als der umstrittene Spurabbau am Bellevue. Denn am Römerhof wird eine Kaphaltestelle in Richtung Innenstadt gebaut. Das heisst, dass der gesamte Verkehr auf Rädern hinter den Trams der Linien 3 und 8 warten muss. Mehr noch: In der vom Klusplatz zum Römerhof führenden Asylstrasse werden die Tramgeleise neu so gelegt, dass die Autos talwärts die Trams (3, 8, 15) nicht mehr überholen können. Die Einfallsachse aus dem Raum Oberes Glattal in die Stadt wird sozusagen autoverkehrsberuhigt. Nutzniesser sind jene Velofahrer, die stadtauswärts bergan schnaufen. Für sie gibt es in der Asylstrasse neu eine Velospur. Nutzniesser sind einmal mehr auch die Flaneure. Die Fussgängerzone am Römerhof wird massiv vergrössert; natürlich werden dort auch Bäume gepflanzt. Der Umbau folgt also genau den Vorgaben der 2011 angenommenen Städteinitiative, die den MIV zugunsten von ÖV, Radlern und Fussgängern einschränken will. Wer die Römerhof-Pläne anschaut, hat den Eindruck, dass genügend Platz für eine separate Autospur vorhanden gewesen wäre. Dies auch angesichts der Vorgabe, die Tramstationen behindertengerecht zu gestalten, also die Perrons zu erhöhen, wobei man sie begradigen muss, um Abgründe zwischen Trameinstieg und Kante zu vermeiden («mind the gap», wie man in London sagen würde). Es liesse sich am Römerhof einiges an Verkehrsraum gewinnen, würde auf die 1,80 Meter breite Insel zwischen den Tramschienen verzichtet, würde sie nicht beinahe doppelt so lang wie die längsten Tramkompositionen gebaut, und würde die Tramstation einige Meter weniger weit Richtung Stadtzentrum verschoben.
Die Prognose ist einfach: Es wird Einwendungen zugunsten des MIV hageln – welche die Stadt alle abweisen wird.

In ÖV, mit dem Auto, mit dem Velo, mit Tram und Bus, VBZ veröffentlicht | 1 Antwort

Ohne Auto keinen Mittelstand

«Bin ich mein Auto?» fragten Fischli/Weiss (©P. Fischli, D. Weiss, Verlag der Buchhandlung Walther König)

«Bin ich mein Auto?» fragten Fischli/Weiss (©P. Fischli, D. Weiss, Verlag der Buchhandlung Walther König)

Die Wirtschaftsprofessorin Monika Bütler hat in einem Tweet auf einen Aufsatz im amerikanischen Magazin «Foreign Policy» hingewiesen, die sagt: Zur Mittelschicht gehört, wer ein Auto besitzt. Für manche Weltgegenden mag das zutreffen. Für die Schweiz aber ist die These zweifelhaft. Laut dem Städtevergleich «Mobilität in Zahlen» verfügen in Basel und in Bern nur Minderheiten, in Zürich knapp die Hälfte der Haushalte über eigene Autos. Grösser ist die Autodichte in kleineren Städten wie St. Gallen und Winterthur. Nun, vielleicht können sich all die Jungfamilien angesichts der hohen Mieten in Zürich kein Auto mehr leisten. Womit eingetroffen wäre, was die Studienautoren für Europa prognostizieren: In «entwickelten Ländern» lasse die Stagnation der Geburtenzahlen und der Einkommen eine Stagnation oder gar einen Rückgang der Autozahlen erwarten. Doch Uniprofessorin Bütler, verheiratet mit einem Uniprofessor, dürfte kaum knapp bei Kasse sein. Trotzdem besitzt sie kein Auto, wie sie im Tweet auch mitteilte. Offensichtlich ist: Das Auto ist kein Statussymbol mehr für die Kaufkraft, wie in der Studie angenommen. Aber es ist natürlich auch nicht einfach ein vernünftiges Mittel zum Zweck, sonst würden angesichts der Kosten, die es generiert, viel mehr Leute darauf verzichten und beispielsweise auf Mobility setzen. Ein Auto zu besitzen ist eben eine Frage der Haltung. «Bin ich mein Auto?», hat das Künstlerduo Fischli/Weiss überspitzt gefragt. Bei uns dient die Autofrage allenfalls dazu, die feine Unterscheidung zwischen (ökonomischer) Mittelschicht und dem vorab von der SVP beschworenen (ideologischen) Mittelstand zu klären. Wer kein Auto hat, ist sicher kein Mittelständler.

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Leuchttürme statt Parkplätze

Hier hat es mehr als genug Parkplätze für die künftige Siedlung Kronenwiese: Parkhaus Stampfenbach.

Mehr als genug Parkplätze für die künftige Siedlung Kronenwiese hats im nahen Parkhaus Stampfenbach.

Aktueller Kampfplatz des verkehrsideologischen Schlagabtausches in Zürich ist die Kronenwiese im Kreis 6. Letzte Woche bewilligte der Gemeinderat deren Überbauung – 65 Millionen Franken für 99 städtische Mietwohnungen OHNE Tiefgarage. «Ein wahrer Anti-Auto-Fundamentalismus,» schimpfte der SVP-Mann Bernhard im Oberdorf über den Entscheid der rot-grünen Ratsmehrheit (der noch vom Volk abgesegnet werden muss); ein «Leuchtturmprojekt der 2000-Watt-Gesellschaft», schwärmte dagegen die SP-Frau Esther Straub.
Da stellt sich zunächst eine rhetorische Frage: Wie soll man diesen Leuchtturm sehen können, da man bereits vom Feuer diverser anderer Bauten und Institutionen, die von Politikern als Leuchttürme gepriesen wurden (Kunsthaus-Erweiterung, Unispital, Schiffbau, S-Bahn…), geblendet wird? Auch ist an der Kalkbreite schon eine Siedlung im Bau, welcher der gleiche Gemeinderat die gesetzlichen Pflichtparkplätze erliess. Und das ist gut so. Aus pragmatischen Gründen. Es gibt in der Stadt ein Überangebot an Parkplätzen in privaten Tiefgaragen. Zum Beispiel im Parkhaus Stampfenbach, das rund 200 Meter von der geplanten Kronensiedlung weg liegt. Dort sind im Jahresdurchschnitt «70–80» Plätze frei, wie mir dessen Verwaltung auf Anfrage erklärte. Das sind rund doppelt so viele, als laut der geltenden Pflichtparkverordnung unter der Kronenwiese vergraben werden müssten. Mit dem Verzicht auf die Tiefgarage kann günstiger gebaut werden – die Allgemeinheit kann in diesem Fall 2,4 Millionen Franken sparen. Aus diesem Grunde müssten FDP und SVP eigentlich für eine Kronenwiese ohne Parkplätze sein.
Diese Strasse soll laut dem Zürcher Gemeinderat beruhigt werden: Kronenstrasse neben der Kronenwiese.

Diese Strasse soll laut dem Zürcher Gemeinderat beruhigt werden: Kronenstrasse neben der Kronenwiese.


War Sparsamkeit für einmal Treiber links-grünen Handelns? Wohl kaum. Das legt ein anderer Beschluss nahe, den das Stadtparlament gleichzeitig fällte. Er überwies ein Postulat von Esther Straub (SP), das verkehrsberuhigende Massnahmen für den an die Kronenwiese angrenzenden Teil der Kronenstrasse verlangt. Die Forderung ist reine Symbolik im ideologischen Schlagabtausch: Das fragliche Strassenstück ist heute eine Sackgasse mit Tempo 30, das ausschliesslich als Zufahrt zum GZ Schindlergut dient.

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Auto Rigozzi

Posieren vor dem Zug: Ex-Miss Chris Rigozzi warb letztes Jahr für die SBB.

Als Christa Rigozzi letztes Jahr für die Aufräum-Kampagne der SBB warb, fragte ich mich, wie oft die umtriebige Ex-Miss wohl im Cisalpino zwischen ihrem Wohnort im Tessin und der Deutschschweiz, wo sie häufig auftritt, pendle. Und wie oft sie dabei zu spät komme; es gibt wohl keine unzuverlässigere SBB-Strecke als jene durch den Gotthard mit den endlosen Verspätungen der EC- und ICN-Züge. Die Antwort auf meine Fragen kennt man inzwischen: Christa Rigozzi fährt gar nicht mit den SBB, sondern mit dem Auto durch den Gotthard. Weshalb sie eine zweite Röhre wünscht, wie sie an den «Swiss Awards» kürzlich live am TV erklärte. Was ihr im Tessin laut «Tages-Anzeiger» einigen Ärger eingebrockt (und vermutlich noch mehr Schulterklopfen eingebracht) hat. Und was die letztjährige «Entsorgen»-Kampagne der SBB nicht glaubwürdiger macht. Weitere Testimonials stammten von Cadillac-Fahrer DJ Antoine und Hyundai-Botschafter Gilbert Gress.

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Konfliktfreies Warten im Velosack

Das ist ein Velosack: Radfahrer erhalten bei einem Rotlicht Platz, um sich vor den Autos aufzustellen.

Jede Branche hat ihren eigenen Jargon. Wird eine Branchenneuigkeit der Öffentlichkeit verklickert, so vermengt sich der Fachjargon mit dem PR-Speak. So beispielsweise im heute veröffentlichten Bericht zu den Einwendungen zur Neugestaltung des Bellevue-Platzes in Zürich. In dem vom Tiefbauamt der Stadt Zürich publizierten Papier ist zunächst beschrieben, worum es beim Umbau eines Teils der Tramstation geht. Es «können hohe Haltekanten» (mit Längen von 18 bzw. 25,5 Meter) «angeboten werden», heisst es da. Können Passanten am Bellevue in Zukunft Randsteinkanten kaufen? Nein, vermutlich nicht. Die Amts-PR betrachtet die Bürgerinnen im Sinne des nicht mehr so neuen «New public management» als Kundinnen, und denen bietet man ja etwas an, nämlich Leistungen (wofür Steuern und Gebühren erhoben werden). Demselben Geist entstammen auch Wortschöpfungen wie der «Klient» (wie das Polizeidepartement letzte Woche zwangsinternierte Besoffene bezeichnete) oder der «Kundenberater» (wie die VBZ ihre Kontrolleure nennt).
Zur Kategorie Schönschreiben gehört in der Tiefbauamt-Stellungnahme der Satz «für den motorisierten Individualverkehr ergeben sich keine Änderungen». An dessen Wahrheitsgehalt zweifeln lässt a) die subjektive Erfahrung, wonach in der Stadt Zürich jede Neu-Signalisation zu Lasten des MIV ausfällt, und b) der im Papier zitierte Einwand, wonach wegen der Verbreiterung einer Verkehrsinsel am Bellevue die Fahrbahn von drei auf zwei Spuren verengt wird.
Die Forderung, auf die Vergrösserung der Verkehrsinsel zu verzichten, um weitere Staus zu vermeiden, weist die Stadt übrigens ab. Grund: Den Fussgängern soll ein «konfliktfreies Warten» ermöglicht werden. Soll die neue Insel Streit unter Passanten verhindern? Nein, sie soll die Gefahr, als Fussgänger vom Tram überfahren zu werden, bannen. Denn unmittelbar neben der schmalen, heutigen Insel liegt die Wendeschleife, durch die dann und wann ein Tram quietscht.
Klartext findet sich dafür in einer Einwendung – allerdings nur scheinbar: Sie verlangt an einer Stelle einen «Velosack». Dieser Forderung gibt das Tiefbauamt – als einziger – statt. Die verkehrstechnische Bedeutung des Begriffs Velosack wird im Papier leider nicht erklärt. Ich habe nachgefragt und übernehme im Sinne einer kundenfreundlichen Verständigung die Aufgabe, zu schreiben, was Sache ist. Velosack bedeutet soviel wie: Velofahrer dürfen sich bei einer roten Ampel vor das vorderste Auto stellen. Zumindest auf dem Rad werde ich diese Situation als konfliktfrei erleben.
Womit nebenbei auch eine Änderung für den MIV protokolliert wäre.

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Was ist besser: mehr oder weniger Autos?

Die Fieberkurve der Autoverkäufe in den USA: 2012 schlug sie nach oben aus. Quelle: www.calculatedriskblog.com.

Es ist die Saison der Jahresstatistiken: Die USA meldeten letzte Woche ein Rekordjahr für die Autoindustrie; 2012 wurden in den USA rund 14,5 Millionen neue Autos verkauft. Soviele wie nie mehr seit seit 2007, dem Boomjahr vor dem Finanzkrisenkater. In der EU aber wurden 2012 8,2 Prozent weniger Neuwagen gekauft als 2011, nämlich gut 12 Millionen. Was ist besser? Aus ökonomischer Sicht ist die Antwort einfach, aus ökologischer kompliziert.
Der Grund, weshalb in der EU weniger Autos verkauft wurden, könnte darin liegen, dass manche Leute ihr Vehikel aufgegeben und nicht ersetzt haben. Aktuelle Zahlen über den Gesamtbestand oder über den Occasionshandel gibt es nicht. Schaut man aber nach Deutschland, ist die These vom verbreiteten Auto-Aufgeben unwahrscheinlich. 2011 vermehrte sich dort der PKW-Bestand, obwohl die Verkäufe von Neuwagen gegenüber dem Vorjahr abnahmen. Folglich nahm das Durchschnittsalter der eingelösten Autos auf 8,5 Jahre zu.
Ein achtjähriger Wagen aber ist durstiger und stösst demnach mehr CO2 aus als ein neuer – angenommen, er sei gleich gross. Das ist er nicht – sondern tendenziell kleiner. Sowohl in den USA wie in der EU geht der Trend bei den Neuwagen Richtung kleinerer Motoren und Modelle, auch wenn sich die viel geschmähten Offroader wacker halten. Aber auch deren Motoren sind sparsamer geworden. Die Energieeffizienz von Neuwagen ist besser, sowohl in den USA wie in der EU bzw. in Deutschland.
Fazit: Mehr Neuwagen sind ökologischer als weniger.

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Zentrumslasten

Rückwärts aus der Klemme: Lastwagen an der Kreuzung Rotwand-/Stauffacherstrasse in Zürich.

Lastwagenfahrer habens nicht einfach in der Stadt. Die Strassen sind eng, die Ecken eckig. Soll man Mitleid haben mit ihnen, Respekt vor ihren Steuerkünsten – oder sie aus dem Stadtzentrum aussperren, wie dies der dänische Velopromoter Mikael Colville-Andersen fordert. Dieser schlägt vor, Güter am Stadtrand von Lastern auf Velotransporter umzuladen. Auf den verschneiten Strassen wären diese gestern allerdings nicht viel besser voran gekommen als dieser polnische 40-Tönner.

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Make-up am Steuer

Der Rückspiegel als Spiegel: Make-up am Steuer (Bild: Allianz Suisse)

«Frauen fahren schlechter Auto»: Die Veröffentlichung dieser Suva-Studie sorgte letzte Woche für Wirbel. Liest man die Untersuchung durch, bleibt eigentlich nur eine – überraschende – Erkenntnis übrig: 18- bis 24-jährige Frauen sind am Morgen wesentlich häufiger in Unfälle verwickelt als sonst irgendwer (Grafik 38, S. 25). Wieso das so ist, kann die Studie nicht erklären. Das von der Suva zitierte, offenbar schlechtere weibliche Orientierungsvermögen kann nicht der Grund sein (denn ältere Frauen fahren laut Suva morgens genauso sicher wie andere Menschen). Auch nicht die These, Frauen stünden morgens besonders unter Stress, von wegen Doppelbelastung und so (im Durchschnitt ist eine Frau heute in der Schweiz um die 30 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Kind gebärt). Junge Menschen haben entwicklungsbedingt zwar tatsächlich mehr Mühe als ältere, am frühen Morgen auf Touren zu kommen – aber das gilt auch für Männer. Aber vielleicht spielt das mit – zusammen mit einem anderen Umstand: Ein Fünftel der britischen Automobilistinnen, so fand die Diamond-Versicherungsgesellschaft 2009 durch die Befragung von 4000 Frauen heraus, frischen beim Autofahren ihr Make-up auf. Drei Prozent der Frauen (hochgerechnet: eine halbe Million!) gab zu, deswegen einen Unfall verursacht zu haben. Überdurchschnittlich häufig am Steuer schminkten sich 17- bis 21-jährige Frauen (im Königreich darf den Führerschein erwerben, wer 17 Jahre alt ist).
In der Schweiz fehlen diesbezüglich Daten. Die Allianz-Versicherung publizierte 2012 eine Studie zur «Ablenkung im Strassenverkehr»; Make-up wird dort unter der Rubrik «Körperpflege» zusammen mit Rasieren, also geschlechtsneutral ausgewiesen. Und die Statistiken des Bundesamts für Strassen (Astra) enthalten leider nicht allzuviele Angaben über die Unfallursachen. Häufigster Grund für einen Unfall ist Unaufmerksamkeit. Worauf diese zurückzuführen ist, kann die Auswertung, die auf Polizeirapporten basiert, leider nicht klären. 70 Prozent der Unaufmerksamkeit sind «momentaner» oder «anderer» Art.

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Gated communities in der Stadt

Bald auch im Kreis 5? Nächtliche Barriere im Kreis 4.

Eigentlich sollte im Zürcher Kreis 5, in dem ich wohne, schon lange ein Nachtfahrverbot für Autos und andere motorisierte Vehikel von Auswärtigen eingeführt werden. Dies haben städtische Amtsstellen und Anwohnervereine einvernehmlich beschlossen, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich berichtete (Artikel nicht online). Doch die Errichtung dieser gated community könnte an den Kosten zu scheitern. Vermutlich muss der Gemeinderat darüber entscheiden.
Das ist gut so. Eine Barriere samt Barrierenwärter kostet zwar nicht alle Welt. Zwei davon, wie im Kreis 5 zwischen Lang-, Limmat- und Hardstrasse geplant, schlagen laut Dienstabteilung Verkehr immerhin mit 300 000 Franken zu Buche. Vor allem aber lautet die Frage: Sind diese Barrieren wirklich nötig? Und: Wem nützen sie?
Das Hauptargument dafür ist die Lärmbelastung. Die Anwohner sollen ruhig schlafen können. Nach mehrmaligem Insistieren habe ich diese Woche von der städtischen Dienstabteilung Umwelt- und Gesundheitsschutz das «Strassenlärm-Immissionskataster» des Quartiers erhalten. Und dieses zeigt: Die Strassen, die beruhigt werden sollen, sind bereits ruhig. Ein paar wenige Gebäude sind gelb markiert, was bedeutet, dass deren Fassaden irgendwann während eines ganzen Tages einer Lärmbelastung ausgesetzt sind, die über dem gesetzlich festgelegten Grenzwert liegt (ich selbst wohne in einem dieser gelben Häuser – aber nachts höre ich vor allem den Bahnlärm auf den nahen Geleisen, der in der Lärmkarte nicht berücksichtigt ist).
Im Kreis 5 gibt es andere Unruhequellen. Er liegt ja mitten in der Stadt, und es hat ein paar Restaurants hier, einige Bars, zwei Multiplexkinos und am Rande des Gevierts, das beruhigt werden soll, finden sich diverse Klubs. Zwar sind die meisten Besucher mit dem ÖV oder mit dem Velo unterwegs, aber dann und wann fährt das Ausgangsvolk auch mit dem Auto vor. So what?
Der Kreis 5 ist ein «urbanes Zentrum», wie es auf der offiziellen Quartierswebsite heisst. Gleichzeitig soll es hier ruhig sein wie auf dem Lande? Weshalb man die Besucher vom Lande aussperren möchte? Man könnte vielleicht auch eine nächtliche Ruhezone einrichten à la SBB, dann wären auch Gespräche verboten.
Übrigens: Ruhe kostet. Nicht nur als Lärmschutzmassnahme für die Stadt und ihre Steuerzahler. Sondern auch die Anwohner. Im Dezember wurde auf Homegate eine Eigentumswohnung an der beruhigten Weststrasse angeboten, 120 Quadratmeter im zweiten Stock. Für 1,8 Millionen Franken. Inzwischen ist das Inserat nicht mehr aufgeschaltet, die Wohnung also vermutlich verkauft.

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