Eine Stadt wird heimelig

Gehört denkmalgeschützt: die schmucklose Mattengasse samt Parkplätzen im Kreis 5.

Gehört denkmalgeschützt: die schmucklose Mattengasse samt Parkplätzen im Kreis 5.

Ein illustrierter Stadtplan, der «euses Züri» als eine Ansammlung von Häusern in einer grünen Landschaft zeigt: Das ist die Fahne, unter der die SP der Stadt Zürich ihren Wahlkampf (für die Stadt- und Gemeinderatswahlen 2014) bestreitet. Als tonangebende Partei der letzten gut 20 Jahre behauptet die SP zu Recht das Zürich von heute massgeblich mitgeprägt zu haben. Es ist, wie die SP schreibt, eine Stadt, die «viel bietet und trotzdem heimelig geblieben» ist.
Heimelig? Geblieben?
In meiner Nachbarschaft im Herzen des Kreis 5 werden zur Zeit diverse Strassen umgepflügt: Werkleitungen erneuert, Randsteine verschoben, Bäume gepflanzt – das volle Programm. Am Ende wird das Quartier putziger, grüner und womöglich ruhiger sein als bisher – heimeliger denn je, um den Begriff der SP zu verwenden. Die Industrie ist in den letzten 30 Jahren bis auf wenige Ausnahmen aus dem Industriequartier verschwunden. Sie ist Bildungs-, Büro-, Unterhaltungs- und Wohnbauten gewichen, den viel gepriesenen urbanen Landschaften also. Nun werden also die Quartierstrassen, entlang denen einst die einheimischen, dann die fremdländischen Proletarier wohnten, aufgewertet. Was bleibt dann übrig von der bewegten Geschichte?
Die Denkmalpflege sollte sich rasch der Ackerstrasse, der Matten- und der Neugasse auf der anderen Seite der Langstrasse annehmen, die noch gar nicht heimelig, nicht von Baumreihen, sondern von Parkplätzen gesäumt sind. Um zu zeigen, wie ein Arbeiterquartier einst aussah, woraus der Traum der Arbeiter bestand, ehe sich ihre Kinder damit in die Agglo auf und davon machten – dem Auto. Und wo die Partei, die jetzt Heimeligkeit als Errungenschaft preist, ihre Wurzeln hat.

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Ausweitung der Kampfzone

Im aufgewerteten Quartierzentrum Albisrieden: mit dem Velo zwischen Randstein und Tramschienen balancieren. (Bild: Tiefbauamt der Stadt Zürich)

Im aufgewerteten Quartierzentrum Albisrieden: mit dem Velo zwischen Randstein und Tramschienen balancieren. (Bild: Tiefbauamt der Stadt Zürich)

Letzte Woche stellten Stadtpräsidentin Corine Mauch und Tiefbauamts-Vorsteherin Ruth Genner den Jahresbericht zum Programm Stadtverkehr 2025 vor. Dessen Hauptziel: Den ÖV, den Fuss- und Veloverkehr in der Stadt zu fördern, den MIV zurück zu drängen. Man sei auf gutem Wege, berichteten die beiden Stadtmütter. Und man habe noch viel vor. Nicht zuletzt gelte es die «Umverkehr»-Städteinitiative zu erfüllen, welche das Stadtzürcher Stimmvolk 2011 annahm: den motorisierten Individualverkehr, den MIV in den nächsten zehn Jahren um 10 Prozentpunkte zu reduzieren.
Schauen wir mal anhand eines grösseren Projektes, dessen Pläne die Stadt eben aufgelegt hat, wie dies bewerkstelligt werden soll: Die «Aufwertung Zentrumsbereich Albisrieden», wie die Umgestaltung diverser Strassenabschnitte im Herzen Albisriedens offiziell heisst. Es ist das übliche Programm, das zur Anwendung kommt: Tempo 30 wird eingeführt, die Fahrbahnen werden verschmälert, die Einmündungen aufgepflästert, neue Bäume gepflanzt und Kap-Haltestellen für Tram und Bus eingerichtet. Die Fussgänger erhalten also mehr Platz und Schatten und die Fahrzeuge der VBZ ihre Vorrechte in Stein gemeisselt. Der MIV wird behindert. Und mit ihm, als Kollateralschaden, auch die Velos, auch wenn die erklärte Absicht eine andere ist. Denn Kernstück des Albisrieders Projekts ist die Ausweitung der Kaphaltestelle. In der Albisrieden- und in der Altstetterstrasse wird ein durchgehender, zwei Meter breiter Mittelstreifen eingerichtet. Fussgängern dient er als endlose Schutzinsel. Vier Zentimeter hoch und mit Pollern versehen, verhindert er das seitliche Befahren mit Autos. Anders gesagt: Autos werden Velos hier nicht mehr überholen können. Oder zumindest nicht gefahrlos. Velofahrerinnen und Velofahrer sollen einmal mehr die Fleischbremse geben. Einigen unter ihnen ist das gegeben: in der Mitte der Fahrbahn vor den Autofahrern herzuradeln, das Tempo zu diktieren. Der Mehrzahl aber dürften hochtourig gereizte Motoren im Nacken eher Angstperlen auf die Stirn treiben, zumal vor einem stets Tramschienen liegen.
Was passieren wird, ist voraussehbar: Viele Velofahrer werden aufs – breite – Trottoir ausweichen und die Fussgänger belästigen. Die Ausweitung der Kampfzone Fuss- gegen Velofahrer, als Folge des gesellschaftlichen Kampfes gegen den MIV.

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Die App funktioniert (teilweise)

Das Loch ist gestopft, der Strand unter dem Pflaster asphaltiert: an der Zollstrasse in Zürich (4.7.2013)

Das Loch ist gestopft, der Strand unter dem Pflaster asphaltiert: an der Zollstrasse in Zürich (4.7.2013)

Vor einer Woche beschrieb ich meine Erfahrung mit der App «Züri wie neu», mit der auf unbürokratische Art Mängel in der städtischen Infrastruktur gemeldet werden können. Ein Schlagloch, das ich Mitte April gemeldet hatte, war – entgegen der Rückmeldung, es werde «in den kommenden Wochen» repariert – noch immer nicht geflickt. Noch am Tag des Blogeintrags und meiner neuerlichen Meldung des Loches via App kam ein Feedback: Eine Mitarbeiterin des Tiefbauamtes wollte wissen, wo genau denn das Schlagloch liege. Trotz meiner Adressangabe hatte es die App in der Mitte des Gleisfeldes vor dem Hauptbahnhof verortet. Ich gab die genaue Adresse nochmals durch, und einen Tag später kam ein Bestätigungsmail: «Diese Reparatur wird von uns in den kommenden Monaten ausgeführt». Drei Tage später war das Loch gestopft. Besten Dank!
Auf der anderen Seite der Geleise siehts weniger schön aus. Als ich Mitte April meinen ersten Blogeintrag zum Thema machte, waren dort bereits verschiedene Schlaglöcher vorgemerkt. Jetzt klaffen sie noch immer im Asphalt.

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Werbefeldzug

Voll legal: Der Kunstzug der ZKB. (Foto: ZKB)

Voll legal: Der Kunstzug der ZKB. (Foto: ZKB)

Von meinem Aussichtsbürotisch aus fiel mir gestern wieder mal ein besprayter Zug auf. Ein vollbesprayter. Er sah eindrücklich aus. Und ich fragte mich, da ich ihn nur aus der Distanz sah und keine Details erkennen konnte, ob da wieder die Sprayerbande KCBR am Werk gewesen sei. Heute lese ich: Es ist «ein rollendes Kunstwerk der ZKB auf Schienen». Aha. Und er ist nicht versprayt, sondern verklebt. Die Grafikerin Nadine Geissbühler hat ihn gestaltet: Scherenschnittmotive, die das Leben im Kanton Zürich zeigen sollen, rechtzeitig zum Zürifäscht. Ich hab nichts dagegen; das bringt Abwechslung ins blau-weisse Einerlei der S-Bahnen.
Voll versprayt: Eine von der Gruppe KCBR ver(un)zierte S-Bahn-Komposition.

Voll versprayt: Eine von der Gruppe KCBR ver(un)zierte S-Bahn-Komposition.

Dass die Aktion promotet wird, ist auch klar, es ist ja ein Werbefeldzug für die Bank, einen langjährigen Sponsor des ZVV-Nachtnetzes. Natürlich provoziert ein ZKB-Zug auch Reaktionen – denn er macht das illegale (Um-)Gestalten eines Zuges erst recht zur subversiven Tat.

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Züri noch nicht erneuert

Bald ein Biotop? Schlagloch an der Zollstrasse (30.6.2013)

Bald ein Biotop? Schlagloch an der Zollstrasse (30.6.2013)

Mitte April lancierte die Stadt Zürich die App «Züri wie neu», auf dass Mängel an der städtischen Infrastruktur unbürokratisch gemeldet werden. Ich wandte die Funktion sogleich an, meldete ein Schlagloch an der Zollstrasse, dem ich sozusagen täglich ausweiche. «Diese Reparatur wird von uns in den kommenden Wochen ausgeführt», wurde ein Tag später rückgemeldet. Seither sind zweieinhalb Monate vergangen und passiert ist – nichts. Das Loch ist da, geschätzte fünf bis zehn Zentimeter tief, 30 Zentimeter breit und ein Meter lang: eine veritable Fallgrube für unachtsame Velofahrer. Auf der «Züri wie neu»-Karte ist es weder als erledigt noch als unerledigt, sondern gar nicht markiert. Ist der Anfangselan der «Züri-wie-neu»-Heinzelmännchen schon wieder erlahmt? An der Lagerstrasse, der Holperstrecke auf der anderen Seite der HB-Geleise, wurden anfangs ein paar Löcher gefüllt. Andere sind bis heute da oder haben sich neu geöffnet.
Genutzt wird die App fleissig. 1469 Meldungen wurden bis heute morgen eingeschickt. Dazu kommt nun meine Neuaufnahme des Zollstrassen-Lochs.

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Ersatz-Parkplätze für Velos

Die Veloparkplätze an der Linthescher-Gasse beim HB werden aufgehoben, nein, nur verschoben.

Die Veloparkplätze an der Linthescher-Gasse beim HB werden aufgehoben, nein, nur verschoben.

Rund um den Zürcher Hauptbahnhof einen Parkplatz fürs Velo zu ergattern ist mindestens so schwierig wie einen fürs Auto zu finden. Einer der Orte, wo man öfter als nicht Glück hat, ist die Linthescher-Gasse neben dem Hotel Schweizerhof. Doch jetzt markieren Halteverbotstafeln das Ende der Veloplätze ab dem 1. Juli. Eine Nachfrage bei der Dienstabteilung Verkehr ergibt: Das Haus daneben wird umgebaut, die Strasse und Teile des Trottoirs werden für Material und Maschinen gebraucht und gesperrt. Aber: Ein paar Häuser weiter weg vom Bahnhof wird in der selben Gasse Ersatz geschaffen – nein, nicht zu Lasten von Autos, sondern an einer Stelle, an der bisher ein Halteverbot bestand. Die unlängst vom damaligen Polizeivorstand Daniel Leupi angekündigte «verbesserte Veloführung bei Baustellen» scheint ernst gemeint zu sein.

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Alles wird gut

Familienvelo alla fiorentina.

Familienvelo alla fiorentina.

Treue Leser und Leserinnen mögen sich gefragt haben, ob ich vom Velo gefallen sei. Nein, ich bin wohlauf. Aber in den letzten Wochen war ich extrem beschäftigt mit verschiedenen grösseren Arbeiten, die abgeschlossen werden mussten. Und so verpasste ich prompt gute Neuigkeiten für den Individualverkehr in Zürich: Zum Beispiel den am letzten Freitag vom städtischen Tiefbauamt publizierten Bau eines Velostreifens an einer Stelle, an der man es nicht für möglich gehalten hätte – an der Rämistrasse zwischen Pfauen und Bellevue. Hiefür werden, man höre und staune, eine Rabatte verschmälert und sogar ein paar Bäume gefällt (natürlich wird knapp daneben wieder aufgeforstet). Als Alternative hatte die Stadt dem Vernehmen nach sogar einen Neubau der riesigen Stützmauer zur Hohen Promenade hin in Erwägung gezogen, aber als zu teuer verworfen.
Dass das Velo auch in anderen Städten als Vehikel der Zukunft benutzt wird, durfte ich bei einem Arbeitsausflug nach Florenz beobachten. Dort sind manche Strassen noch enger als in Zürich. Was weder Geschäftsleute im Anzug oder Kleid hindert übers Pflaster zu radeln noch Eltern davon abhält, ihren Nachwuchs aufs Rad zu packen. Man transportiert ihn nicht im breiten Anhänger, sondern gleich auf dem Velo. So liesse sich auch der zukünftige, 1,25 Meter schmale Rämistrassen-Streifen problemlos befahren.

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Vorteil Italien

Velostrada zwischen Levanto und Bonassola an der ligurischen Küste. (Foto: L. Graf)

Velostrada zwischen Levanto und Bonassola an der ligurischen Küste. (Foto: L. Graf)

Es gibt ja Dinge. Zum Beispiel Velowege in einem Land, wo man dies nicht gerade erwarten würde. Eine Leserin hat mir dieses Foto aus ihren Ferien an der ligurischen Küste geschickt. Ein Veloweg auf dem einstigen Trassee einer Eisenbahn, an bester Aussichtslage direkt am Meer. Und offensichtlich so breit, dass die Nordeuropäer diesem Weg den Namen Highway verleihen würden. Nun, eine Autostrada ist es nicht.

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Die Möblierung der Begegnungszone

Inseln zum Urban Gardening auf der Strasse: Blumenkisten am Zürcher Bullingerplatz.

Inseln zum Urban Gardening auf die Strasse gestellt: Blumenkisten am Zürcher Bullingerplatz.

Der Bullingerplatz im Kreis 4 ist seit der Beruhigung der ehemaligen Westtangente eine Begegnungszone. Auf diesem Platz, der eigentlich ein Kreisel mit Springbrunnen ist, gilt Tempo 20. Weil die Tempobeschränkung in den Anfangstagen offensichtlich zu wenig zur Kenntnis genommen wurde, stellte die Stadt letztes Jahr dicke Poller an den Strassenrand, um Autos zum Bremsen zu zwingen. Als Velofahrer kann man hier seither regelmässig Autos überholen. Begegnen tut man am Asphaltrondell sonst selten jemanden. Vielleicht ändert sich das jetzt: Letztes Wochenende hat der Platz weiteres Mobiliar erhalten. Zwei Reihen Holzkisten stehen seit Samstag auf dem Platz und blockieren die Durchfahrt auf der einen Seite des Kreisels. Aufgestellt wurden sie vom Quartierverein Aussersihl-Hard, in Zusammenarbeit mit dem städtischen Tiefbauamt und der Dienstabteilung Verkehr. Gefüllt sind sie mit Erde, in die Kräuter, Salat und Gemüse gepflanzt wurden. Ist das jetzt eine vorgezogene, radikale Realisierung der kürzlich erfolgten Ankündigung von Grün Stadt Zürich, nächstes Jahr Verkehrsinseln mit Gemüse zu bepflanzen? Nein, teilt das Tiefbauamt auf Anfrage mit. Ziel dieses Urban Farmings sei es, eine bessere Nutzung der Begegnungszone zu bewirken. Und dazu «eine Verbesserung der Verkehrssituation».

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Roter Pfeil gegen Milchkuh

Für diesen Roten Pfeil möchte der VCS mehr Benzingeld: Logo der Initiative «für den ÖV»

Für diesen Roten Pfeil möchte der VCS mehr Benzingeld: Logo der Initiative «für den ÖV»

Rechts heult auf, wenn Bundesrätin Leuthard den schon mehrfach gemachten Vorschlag wiederholt, die Benzinsteuern anzuheben. Unterstützung erhält die Rechte dabei von Grün. Gemeinsam bekämpfen die beiden Lager bereits Leuthards Vorlage zur Erhöhung des Vignettenpreises. Beide haben gute Argumente: Rechts ein simples («Nein zu immer mehr Abgaben»), grün ein vernünftiges. Gegen einen Ausbau der Autobahnen nach föderalistischen Gesichtspunkten, etwa im Jura. Gut möglich, dass die «unheilige» Allianz Erfolg hat, und weder der Vignettenpreis noch der Mineralölzuschlag erhöht werden. So dürfte es dann zum Showdown kommen mit den Volksinitiativen der beiden Pole: die bereits eingereichte VCS-Initiative für den öffentlichen Verkehr, welche noch grössere Teile der Benzinsteuern als bisher für den ÖV fordert, gegen die Milchkuhinitiative (für die noch gesammelt wird), die verlangt, dass alle Benzinsteuern der Strasse zugute kommen.
Soll den Schnellzug der ÖV-Initiative bremsen: Milchkuhinitiative.

Soll den Schnellzug der ÖV-Initiative bremsen: Milchkuhinitiative.

Ich wage die Prognose, dass sich dabei wie meist in Finanzfragen der guteidgenössische gesunde Menschenverstand durchsetzen wird, und beide Initiativen vom Volk abgelehnt werden. Das würde bedeuten, dass Strasse wie Schiene mit den selben Mitteln zu haushalten haben wie heute. Und das hätte zur Folge, dass angesichts fallender Benzinsteuer-Einnahmen (die Motoren werden immer sparsamer) und zunehmender ÖV-Frequenzen in Zentrumsgebieten nicht mehr alle föderalen Sonderwünsche erfüllt werden können. Keine Tunnels mehr nach dem Prinzip, wenn im Kanton Zürich einer gebaut wird, braucht es auch in Appenzell-Innerhoden einen. Der Verteilkampf wird härter werden, es dürfte mehr kosten für jene, die mit dem ÖV unterwegs sind und weniger neue Umfahrungen geben und mehr Stau für die Autofahrer. Und die gute Nachricht wird sein, dass eine ganzheitliche Lösung, nämlich das Mobility Pricing, voran getrieben wird.

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