Ein Entlastungszug für die SBB

Einst Bubentraum, heute Güterzug- und Ersatzlok. Bild/Copyright: SBB

Die Zeitschriften «K-Tipp» und «Saldo» lancieren «für einen guten Service public» eine Volksinitiative. Das Anliegen: Die Unternehmen des Bundes sollen nicht Gewinn erwirtschaften, sondern den Bürgern einen guten und bezahlbaren Service bieten. Wer will nicht einen guten Service public? Niemand natürlich. Weniger guter Service public ist allerdings die Broschüre, mit der die Konsumentenzeitschriften für ihre Initiative werben und die den jüngsten Ausgaben von «K-Tipp» und «Saldo» beigelegt ist. Post, Swisscom und SBB würden zu hohe Gewinne machen, steht darin. Ja, Post und Swisscom wirtschaften profitabel. Aber die Bundesbahn? Zwar weist die SBB AG in ihrem Jahresabschluss jedes Jahr einen Gewinn aus – aber nur, weil sie die Subventionen von Bund und der Kantonen in Milliardenhöhe als Einnahmen verbucht. Fakten zu verdrehen, damit sie die eigenen Anliegen stützen, gehört zum Tagesgeschäft von Lobbys, Parteien und Konzernen. Tägliche Aufgaben der Medien ist es, diese Propagandaflut ins rechte Licht zu rücken. «Saldo» und «K-Tipp» leisten diesbezüglich stets gute Arbeit; sie sind immer bemüht, ihre Leserschaft über falsche Versprechen von Firmen und Institutionen aufzuklären. Dass sie nun selbst nach dem Prinzip «der Zweck heiligt die Mittel» ihre Leserschaft für blöd verkaufen, finde ich ziemlich ärgerlich. Da muss man glatt die SBB verteidigen – sozusagen einen Entlastungszug führen. Nämlich: Zwischen 1999 und 2012 hat die SBB nicht nur ihre Billettpreise um 20 bis 28 Prozent angehoben, wie «K-Tipp»/«Saldo» auflisten. Sondern auch ihr Angebot massiv ausgebaut: So liefen 2010 (neuere Zahlen gibt es nicht) 25 Prozent mehr Züge über ihr Schienennetz als 1999. Strecken wie Zürich–Bern oder Bern–Visp werden heute (dank teuren, neuen Tunnels) wesentlich schneller durchfahren als vor zwölf Jahren. Kunden erhalten also für die höheren Preise auch bessere Leistungen; das egalitäre Preissystem der SBB hat zur Folge, dass höhere Betriebskosten gleichmässig auf alle Strecken abgewälzt werden. Auch der Ärger über langes Warten vor den Billettschaltern ist relativ: Heute man Bahntickets zuhause ausdrucken oder direkt aufs Handy laden. 1999 ging das nicht.
Wenn «K-Tipp»/«Saldo» bei der SBB hohe Preise monieren, so haben sie in einer Hinsicht Recht: Für Vollzahler ist die Bahn teuer. Die SBB verrechnen ihren Kunden auf normalen Strecken zurzeit rund 32 Rappe pro Kilometer (2. Klasse, ganzer Preis; die genaue Zahl konnte ich nicht eruieren, da die SBB-Medienstelle nicht fähig war, die geforderten Auskünfte innerhalb von drei Arbeitstagen zu liefern). Eine vierköpfige Familie ohne vergünstigende Abos bezahlt mehr als mit dem (Mittelklasse-)Auto, das laut TCS pro Kilometer 75 Rappen kostet. Da die Juniorkarte, also das Begleit-GA für sechs bis 16-jährige Kinder nur 20 Franken kostet, und das Halbtax für Erwachsene 165 Franken pro Jahr, ist die Bahn faktisch höchstens halb so teuer wie PW.

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