Andreas Züllig, Präsident des Hotelierverbandes Hotelleriesuisse, sorgte vor drei Wochen vor allem in seinem Heimatkanton Graubünden für Ärger. In einem Interview mit der «SonntagsZeitung» forderte er, die regionale Verteilung der Subventionen neu zu ordnen. In Graubünden solle man sich auf vier Wirtschaftsräume beschränken. «Gewisse Regionen oder Orte» sollten nicht mehr gefördert werden. Man müsse aufhören, «Brücken zu bauen für 200 Einwohner», meinte er. Vielleicht dachte Züllig an die Brücke zwischen Scuol und Tarasp-Vulpera im Unterengadin, die im Jahre 2010 eröffnet worden war. 236 Meter lang, 60 Meter hoch. Ein schöner Bau aus Beton, 16 Millionen Franken teuer. Eine schnurgerade, direkte Verbindung statt einer kurvigen, engen Strasse. Die Brücke werde neue Besucherströme nach Tarasp locken, und man werde hoffentlich einen neuen Skilift bauen, frohlockte der damalige Gemeindepräsident von Tarasp, Christian Fanzun. Tarasp mit seinen zehn Fraktionen hatte damals nicht 200, sondern 360 Einwohner. Und sieben Hotels. Heute ist Tarasp Teil der Gemeinde Scuol, deren Präsident Christian Fanzun heisst. Und hat noch vier Hotels. Und ebenso wenige Restaurants. Das mit Abstand grösste Hotel, der Schweizerhof, jahrelang betrieben vom Robinson-Club, hat letztes Frühjahr zugemacht. «Feriencenter» heisst die Postautohaltestelle vor dem ehemaligen Hotel noch immer. Dort gabs früher auch einen Volg-Laden. «Ladenlokal zu verkaufen» steht nun dort vor verschlossenen Türen. Der alte Skilift von Tarasp ist inzwischen abgebrochen, ohne Ersatz. Nebenbei hat die Brücke ein weiteres, inzwischen geschlossenes Hotel, das «Scuol Palace» am Inn unten, vom öffentlichen Verkehr abgeschnitten, ebenso das daneben liegende Kulturzentrum Nairs.
Vermutlich wäre auch mit der kurvigen Strasse, aus der mittlerweile Bäume wachsen, alles so gekommen. Aber eine schöne Brücke macht noch keine rosige Zukunft. Es wirkt eher so, als seien Touristen und Gastgeber über die Brücke geflüchtet.