Begegnungen, die keinen Sinn machen

Der Zürcher Stadtrat schlägt dem Gemeinderat vor, auf der Stauffacherstrasse beim Helvetiaplatz eine sogenannte Begegnungszone einzurichten. Frage: Wer soll sich da begegnen? Tram und Fussgänger? Viel Glück.

Ich kann den Nutzen des Vorhabens nicht erkennen. Heute führt ein Fussgängerstreifen zur Traminsel vor Ort, so dass Eilige jederzeit zu einem gerade eingefahrenen Tram stürmen können. Anders als bei so vielen ÖV-Stationen steht hier keine Lichtsignalanlage. Fussgänger haben also schon heute immer Vortritt.

Dieses Stück Asphalt soll aufgewertet werden: Ort der geplanten Begegnunszone am Helvetiaplatz.

Dieses Stück Asphalt soll aufgewertet werden: Ort der geplanten Begegnunszone am Helvetiaplatz.

Der Helvetiaplatz ist kein Bahnhofplatz, wo Tausende von Menschen aus allen Richtungen auf die verschiedensten Verkehrsmittel eilen. Es kreuzen sich hier eine Bus- und eine Tramlinie. Ihre Haltestellen würden durch das vorliegende Projekt weiter auseinander zu liegen kommen. Auf der einen Seite der Stauffacherstrasse liegt das Kanzleiareal mit seinem schönen Kiesgarten und den wunderbaren Bäumen, auf der anderen Seite die Freifläche des Helvetiaplatzes. Platz zur Begegnung hat es hier jederzeit mehr als genug (ausser vielleicht am 1. Mai).

Als überzeugter Velofahrer bin ich kein Freund von Begegnungszonen. Natürlich gibt es Orte, etwa Bahnhofvorplätze, wo Tempo 20 und ein genereller Vortritt für Fussgänger Sinn macht. Gleiches gilt für schmale Strassen in Wohnquartieren. Wenn auf innerstädtischen Verbindungstrassen (wie etwa der Bullingerstrasse/Sihlfeld- oder der Josefstrasse) Tempo 20 gilt, muss man sogar mit dem Velo abbremsen. Zu welchem Zweck? Damit Leute mit dem Smartphone vor dem Kopf ungestört herum irren können?

Natürlich ist die geplante Begegnungszone beim Helvetiaplatz ein weiterer Nadelstich gegen den MIV, den motorisierten Individualverkehr. Dieser soll gefälligst die Badenerstrasse benutzen, sagen die Initianten. Ein heuchlerisches Argument, hat man diese traditionelle Ein-und Ausfallachse doch beim Lochergut stadteinwärts unterbrochen und den Albisriederplatz stadtauswärts verengt.

Der Helvetiaplatz soll «aufgewertet» werden, lautete die Begründung der Gemeinderäte Gian von Planta (GLP) und Patrick Hadi Huber (SP), die das Projekt mit einer Motion auslösten. Politiker lieben hehre Visionen. Die Aufwertung, das Leuchtturmprojekt, den Vorbildcharakter und die Vorreiterrolle. Das brave Burgdorf ist die weit herum gelobte Modellstadt der Begegnungszone, seit es vor 20 Jahren eine solche in den Strässchen rund um seinen Bahnhof eingerichtet hat.

Der Helvetiaplatz mit seiner realsozialistischen Aura beflügelt Quartierpolitiker seit langem zu Fantasien. Mir gefällt er gerade, weil er aus einer anderen Zeit stammt, weil er nicht drapiert ist wie das Interieur eines Möbelgeschäfts, sondern belegt mit Asphalt und Pflaster und sonst nichts.

Ich bin für Pragmatismus. Die 1,1 Millionen Franken, welche die Einrichtung der Begegnungszone kosten würde, könnte man dafür einsetzen, da und dort einem zu breit geratenen und wenig benutzten Trottoir eine Velospur abzutrotzen, die eine oder andere dekorative Buchsbaumrabatte abzuholzen und damit den Fussgängern den direkten Weg frei zu räumen.

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