SBB-Zahlen: Hat der Teufel übernommen?

Viel freien Platz gibts darin nicht: S-Bahn-Zug (Bild: SBB)

Viel freien Platz gibts darin nicht: S-Bahn-Zug (Bild: SBB)

Heute hält die SBB ihre Jahresmedienkonferenz ab und veröffentlicht ihre Zahlen für 2012. Vor zwei Wochen schon meldete der «Sonntag» vorab, dass die Bundesbahn letztes Jahr erstmals seit Jahrzehnten weniger Personen beförderte als im vorangehenden Jahr. «Bahnfahrer steigen aufs Auto um», folgerte die Zeitung – ein Schluss, der dann von mehr oder wenigen allen Medien übernommen wurde. 2012 scheint also der Worst Case eingetreten zu sein, ein Backlash, hiess der Motor der Milliardeninvestitionen in den öffentlichen Verkehr doch seit den 1980er Jahren: das Umsteigen vom Auto in die Bahn fördern. Jetzt hat also der Teufel das Steuer übernommen.
Wirklich? Das ist eine Glaubensfrage. Eine Rolle bei der (minimen) Abnahme der Passagierzahlen der SBB spielen offensichtlich auch die rückläufigen Touristenfrequenzen. Möglich wäre auch, dass die Schweizer letztes Jahr ihr Freizeitverhalten änderten und 2012 generell weniger Ausflüge unternahmen. Und um die Umstiegs-These zu erhärten, müsste man Zahlen zum Autoverkehr im letzten Jahr haben. Um schlüssige Antworten auf all dies zu erhalten, wäre eine umfangreiche Studie zum Verkehrsverhalten nötig, im Stile des Mikrozensus. Aber diese Riesenumfrage des Bundes – Zehntausende werden dafür interviewt – wird nächstes Mal erst 2015 durchgeführt.
Vielleicht ist der Schluss «Bahnfahrer steigen aufs Auto um» ja richtig. Die interessante Frage wäre natürlich wieso. «Weil die Transportpreise erhöht wurden», lautet die Antwort von grüner Seite. Tatsächlich schlugen die Billettpreise (2. Klasse) seit 1999 um einen Viertel auf, mehr als doppelt so viel wie die allgemeine Teuerung von rund elf Prozent. Allerdings gabs im selben Zeitraum auch einen massiven Leistungsausbau – die Neubaustrecke zwischen Olten und Bern etwa oder der Lötschberg-Basistunnel sowie fast überall mehr Züge und damit schnellere Verbindungen. Die Folge davon war dann allerdings mancherorts ein Komfortabbau – mehr Zugpendler bedeutet weniger freie Sitzplätze.
Stiegen die Leute für den Arbeitsweg in die Bahn um, verkauften sie deswegen aber ihr Auto nicht. Im Gegenteil: 1994 war noch ein Viertel der Schweizer Haushalte ohne Auto, 2000 nur noch ein Fünftel – und dabei ist es bis heute, trotz Bevölkerungswachstum, geblieben. Der ÖV ist zwar billiger als der MIV, weil er stärker subventioniert wird. Aber ein stillstehendes Auto verteuert jedes Bahnbillett. Möglicherweise haben die SBB-Aufschläge der letzten Jahre (rund zehn Prozent seit 2010) zu einer Konsolidierung geführt: Man nutzt die vorhandenen Ressourcen besser. Und steigt endgültig um, wenn die Ressource erschöpft, also das Auto kaputt ist.

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